Donnerstag, 6. September 2012

DLG-Unternehmertage 2012

Vorbemerkung
Im Vorfeld der DLG-Unternehmertage hatte ich etwas gezögert ob ein Bericht in gleicher Weise wie vormals zur ESA-Tagung in Helsinki vertretbar ist. Skeptisch war ich hier im wesentlich auf Grund meiner ehrenamtlichen Aufgaben in der DLG. Tagungsinhalte werden im u.a. Vorstand intensiv diskutiert und so – dies meine Sorge – führt unweigerlich zu mangelnder persönlicher Distanz. Sicher richtig.
Es gibt aber umgekehrt mindestens zwei Argumente doch über diese Tagung zu berichten. Weshalb sollen interessante Inhalte nicht kommuniziert und kommentiert werden, nur weil im Vorfeld eventuell über die Ausrichtung diskutiert wurde – dies wäre schade. Zudem ist aber auch bei wissenschaftlichen Tagungen eine klare Trennung zwischen Organisation und Inhalt in vielen Fällen nicht so einfach möglich. In Helsinki war ich auch in der Programmkommission und somit an der Auswahl der Vortragenden beteiligt. Gleiches gilt für die Tagung des Dachverbandes Agrarforschung (DAF) im November in Braunschweig, wo ich ja als amtierender Präsident des Dachverbandes sogar federführend agiere. Und für die nächste Tagung der ESA in Ungarn stehe ich auch wieder auf der Liste beim Programmkomitee (obwohl mich nie jemand gefragt hat...).
Dass im Vergleich zu Helsinki bei einem Tagungsort Mannheim – nichts gegen Mannheim - weniger über Land und Leute, Anreise und Atmosphärisches, Kulinarisches und Skurriles  zu berichten ist, versteht sich von selbst. Aber dafür gibt es schließlich andere Gelegenheiten. Die Anreise nach Montevideo am Ende des Monats ist dafür doch hoffentlich etwas aufregender als die Bahnfahrt nach Mannheim (nichts gegen Bahnfahren).

Aber nun zur Tagung:

Die DLG organisiert über das Jahr eine große Anzahl öffentlicher Veranstaltungen mit Vorträgen und Diskussionen. Am bekanntesten sicherlich die Wintertagung, die jeweils im Januar entweder in Berlin, München oder Münster stattfindet. In etwas kleinerem Rahmen veranstaltet die DLG in jedem Jahr im September die Unternehmertagung. Traditioneller Schwerpunkt ist hier die Marktsituation und die Perspektiven für die Preise und Vermarktung. Auch dies wurde in Mannheim wieder diskutiert, aber der Schwerpunkt war diesmal etwas anders. In diesem Jahr gab es ein Novum, denn erstmals wurde die Kommunikation des landwirtschaftlichen Betriebes in den Mittelpunkt gestellt.

Wichtig hierbei die Einbindung der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit in die Gesamtkonzeption der Betriebsführung. Kein „Ad-on“ für Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die am Wochenende oder Feierabend noch freie Kapazitäten haben, sondern Kommunikation als integraler Bestandteil des Managements und somit auch als Erfolgsfaktor in der mittel- und langfristigen Betriebsentwicklung. 

Das Rad wird dabei keineswegs neu erfunden. Im Gegenteil, einige Betriebsformen haben hier schon beträchtliche Erfahrungen. Zu nennen wären Unternehmen mit touristischen Angebot („Urlaub auf dem Bauernhof“, Maislabyrinth), Betriebe mit Hofladen oder Winzer, um nur einige Beispiele zu nennen. Außerhalb dieses Kreises ist die aktive Öffentlichkeitsarbeit jedoch wenig verbreitet. Welche Konzepte gibt es nun? Hier wurden in einer Reihe von Beiträgen Erfahrungen aus unterschiedlichen Regionen und von verschiedenen Betriebsformen vorgestellt. Die Konzepte reichen von klassischen Hoffesten und Tagen des offenen Hofes, über die Organisation von Kinderfesten bis zum Sponsoring von Sportvereinen und anderen öffentlichen Einrichtungen - die Liste ist nicht vollständig. Wichtig ist aber in jedem Fall immer die mediale Begleitung durch die lokale Presse. „Tue Gutes und lass andere darüber sprechen“, so das Motto in mehreren Beiträgen.

Als neuer Aspekt wurden auf der Tagung die Möglichkeiten – aber auch Risiken – der sozialen Medien für die Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt. Facebook, Twitter, eine eigene Homepage oder ein betriebsbezogener Blog. Eventuell sogar die Selbstdarstellung über Videos auf youtube. Einige Videos haben inzwischen sogar einen gewissen Kultstatus erreicht.

Hier ein Beispiel. Okay, 7 Mio. Zuschauer, aber ob dies dann im Endeffekt wirklich besser als das viel gescholtene "Bauer sucht Frau" ist, bleibt offen. Der Gruselfaktor bleibt und eventuell wird ein solches Video dann in der weiten Welt außerhalb der Landwirtschaft anders wahrgenommen, als beabsichtigt.

Insgesamt hat die Landwirtschaft – vom Betrieb bis zur Branche – noch erheblichen Nachholbedarf. Rainer Winter von der DLG hat hier eindrucksvoll die verschiedenen Optionen erläutert.
Der Landwirtschaft steht ein intensiver Lernprozess bevor. Wer Facebook schon seit Jahren nutzt, kennt die richtigen Einstellungen, um eine Partyeinladung nur an seine Freunde zu posten. Was passiert, wenn hier Fehler gemacht werden, können wir immer wieder in den Medien verfolgen. Für ein liebevoll vorbereitetes Hoffest mit 30 Nachbarn – ich sehe richtig die bunte Festbeleuchtung und den Blumeschmuck vor mir - wäre das Erscheinen von mehreren 1000 „Freunden“ in freudiger Erwartung von Freibier, Ochsenbraten und Technomusik ziemlich hinderlich und würde das Image des Betriebes sicherlich nicht verbessern. Gar nicht auszudenken, wenn diese „Freunde“ dann auch noch den Mastschweinen zu einem unverhofften Freiheitserlebnis verhelfen.
Auch Twitter ist nicht ohne Risiken: In der FAZ schrieb neulich ein Redakteur, dass man bei Twitter Menschen beim Denken zuschauen können. Das kann dann problematisch sein, wenn dieser Mensch ausgerechnet dabei gewisse Probleme hat.

Zurück und wieder ernsthaft:

Bei der Zielsetzung gibt es unterschiedliche Schwerpunkte, ohne dass immer eine vollständige Differenzierung möglich ist. Hier kann Kundenbindung erzeugt werden (Hofladen, Direktvermarkter) aber auch die realistische Darstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten ist schon eine wichtige Zielstellung. Es können aber auch ganz einfache Sachverhalte kommuniziert werden. So spart man mit einem Hinweis auf eine offene Stelle eventuell eine Anzeige in der Lokalpresse usw. usw. Schon heute können Betriebsleiter recht einfach mit entsprechenden Tools eine Webseite erstellen und diese individuell gestalten, wenn nicht der Weg über Facebook gegangen werden soll. Hier sind zukünftig sogar kommerzielle Anbieter verfügbar.

Noch einmal abschließend einige Gedanken zur Zielsetzung dieser Öffentlichkeitsarbeit. Mehrere Referenten haben betont, dass die Öffentlichkeitsarbeit gedanklich vom klassischen Marketing zu trennen ist. Öffentlichkeitsarbeit ist langfristig und soll den Gesamtbetrieb darstellen und weniger produktbezogen agieren. Wenn mit diesen Mitteln eine positive Stimmung und Verständnis in einer Region, in einem Dorf erzeugt wird, können Probleme vermieden oder zumindest entschärft werden. Deutlich zu unterscheiden ist dies von Krisensituationen. Wird eine Facebookseite erst erstellt, wenn eine Baumaßnahme (Stall, Biogas) auf Widerstand stößt, ist es zu spät. Noch schwieriger ist die echte Krisenkommunikation (Leckage in Güllebehalter, oder die o.g. Ausflugsschweine). Hier können die sozialen Netzwerke helfen, aber nur wenn vorher schon eine Verbindung zu Kunden und interessierten Bevölkerungsteilen aufgenommen wurde.

 Und noch ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt für Betriebe, die den Weg in die Öffentlichkeitsarbeit gehen wollen,  darf keineswegs unterschätzt werden. Es muss eine echte Bereitschaft für ein gegenseitiges Lernen gegeben sein. Die Diskussion am Rand eines Hoffestes wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kritische Fragen aufwerfen. Ganz zu schweigen von den Kommentaren auf Facebookseiten. Dass dies nicht immer fair und ausgewogen ist, sollte jeder wissen, der diesen Weg geht. Insgesamt aber eine sehr spannende Entwicklung. Für uns an der Universität auch die Herausforderung, die notwendigen Fähigkeiten für eine sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit in Lehrveranstaltungen zu vermitteln (Obwohl ich eigentlich ungern in Vorlesungen nur die Rückseiten von Laptops sehe...).

Am Rande der verschiedenen Beiträge wurde auch immer wieder die so genannte Branchenkommunikation angesprochen. Hier gibt es wohl derzeit keine echte Perspektive, denn trotz der Finanzkraft der einzelnen Teile der Wertschöpfungskette bzw. der gesamten Branche in toto, ist hier kaum eine glaubwürdige Kommunikation zu beobachten. Vieles ist Stückwerk und erzeugt mehr Häme als Verständnis. Die Interessen der verschiedenen Akteure sind halt sehr unterschiedlich, bedenkt man nur die Kommunikation aus dem LEH hinsichtlich der Darstellung von Landwirtschaft. Die Übergänge zwischen Kommunikation, Lobbyismus und Desinformation sind leider fließend. Es ist aus meiner Sicht fraglich, ob die weitgehend fehlende Branchenkommunikation durch Einzelinitiativen in allen Aspekten zu ersetzen ist.

Abschließend nur ein kurzes Fazit: Ein sehr wichtiges Thema wurde umfassend behandelt und ich denke, dass auch viele Ideen für aktives Handeln aufgezeigt wurden. Sicher wird dieser Themenbereich auch zukünftig immer wieder integraler Bestandteil von Tagungen und Fortbildungen sein müssen. Stay hungry, stay foolish, aber das kennen sie ja.

PS Wo wir gerade bei Steve Jobs (RIP) sind: Die nächste Stufe ist dann der life-blog von der Tagung. Erst dann sind wir wirklich vorne mit dabei.

PPS So schön ist Mannheim, ja Mannheim